Der dritte Mann
Orson Welles’ Schatten für Kriminalklangensemble (2014)
Die Uraufführung endete mit einem Eklat: Die Tür hinter sich zuknallend verließen einige Zuhörer während Orson Welles’ Schatten den Konzertsaal. Ein vielversprechender Anfang, wenn man bedenkt, dass die Wiener 1950, als der Film in Österreich und Deutschland anlief, ihre patriotischen Gefühle verletzt sahen. Nicht wegen der Musik natürlich - Karas fanden sie gleich gut. Aber ansonsten: Kloake statt Blauer Donau und ein Penicillinschieber statt eines Charmeurs – das war dann doch zu verstörend und noch viel zu dicht an der Gegenwart der Trümmerlandschaften.
Anton Karas fiel das „Harry Lime Theme” erst ein, als das Rückflugticket von London nach Wien schon gebucht war … Gnadenlos fräst sich diese Melodie seither in jedes Hirn: Dadara dara dara, dadara dara dara“ – nicht umzubringen diese Musik, weshalb es fast keinen Zitherspieler gibt, der das Stück nicht irgendwann einmal gelernt hat. Áls Klotz am Bein eines jeden Zitherspielers` bezeichnete sie Georg Glasl einmal. Vielleicht bat er gerade deshalb 2001 sechs Komponisten, unter ihnen Georg Haider, sich auf die Spuren des `Dritten Mannes` zu begeben und ihre Assoziationen zum Film oder zur Filmmusik zu vertonen. Die Uraufführung der sechs Stücke fand im September 2001 während des Festivals Zither 4 statt und sorgte, wie bereits erwähnt, für ziemlich viel Unruhe im Publikum, das sich um „seinen“ Dritten Mann betrogen sah.
Haiders Werk mit dem Untertitel 15 Nocturnes aus der Wiener Unterwelt` spielt mit den Assoziationen zum Film. Er setzt ein Zitherquartett ein, lässt es von einem Schlagzeug begleiten und ergänzt das Ensemble durch eine solistische Posaune. Mit den für die alpenländische Volksmusik typischen Naturton-Intervallen und dem unverwechselbaren Klang der gestimmten Kuhglocken spielt Haider mit Elementen eines volkstümlichen Klangbildes. Im Zusammenspiel der Instrumente entsteht jedoch eine komplexe rhythmische und klangliche Struktur, die weit über folkloristische Schlichtheit oder den untermalenden Charakter der Filmmusik hinausgeht. Die Musik bildet natürlich die Handlung des Films nicht ab, sondern evoziert fragmentarische Erinnerungen. Durch die Verflechtung von Text und Musik ergeben sich Kongruenzen, die das eine wie das andere (und sogar den mitzudenkenden Film) eindringlicher wahrnehmen lassen.
Sabine Reithmaier
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